Die Dynamik von Kolusionsbeziehungen
In der Welt der Beziehungen sind viele Dynamiken unbewusst und tief in unseren Kindheitserfahrungen und inneren Konflikten verwurzelt. Eine solche Dynamik ist die sogenannte Kolusionsbeziehung, ein Konzept, das von dem Schweizer Psychoanalytiker Jürg Willi geprägt wurde. Kolusionen entstehen, wenn zwei Partner sich unbewusst aufgrund ihrer ungelösten psychischen Konflikte anziehen und in der Beziehung Rollen übernehmen, die diese Konflikte widerspiegeln. Doch wie wirkt sich das konkret auf Paare aus? Und wie kann eine Paartherapie helfen, diese Dynamik zu durchbrechen?
Was ist eine Kolusionsbeziehung?
Eine Kolusionsbeziehung ist eine Art „unbewusster Pakt“ zwischen zwei Partnern. Beide bringen ungelöste innere Konflikte mit in die Beziehung, die sich gegenseitig ergänzen. Dabei übernehmen sie oft komplementäre Rollen, wie beispielsweise der dominante Partner und der unterwürfige Partner, oder der Fürsorgliche und der Bedürftige. Diese Dynamik kann anfangs stabil wirken, doch auf Dauer führt sie oft zu Konflikten, da die Partner sich gegenseitig in ihren ungelösten Themen verfangen, anstatt sie zu lösen.
Typische Beispiele aus der Paartherapie
Macht und Unterwerfung
Die Dynamik: Ein Partner übernimmt eine dominante Rolle, stellt Regeln auf und trifft Entscheidungen. Der andere ordnet sich unter, sucht Sicherheit in der Kontrolle des Partners und vermeidet eigene Verantwortung.
In der Paartherapie: Ein Paar kam in die Therapie, weil der unterwürfige Partner zunehmend unzufrieden war. Er fühlte sich klein und entmündigt, während der dominante Partner die Kontrolle aus Angst vor Chaos nicht loslassen konnte. Die Therapie half, diese Ängste offenzulegen und beide Partner dazu zu befähigen, Verantwortung in der Beziehung zu teilen.
Fürsorge und Bedürftigkeit
Die Dynamik: Ein Partner nimmt die Rolle des überfürsorglichen „Retters“ ein, während der andere sich passiv und bedürftig zeigt, was den fürsorglichen Partner wiederum gebraucht fühlen lässt.
In der Paartherapie: Eine Klientin berichtete, dass sie sich ständig für die Bedürfnisse ihres Partners aufopferte, während dieser sich immer mehr zurückzog. Die Therapie deckte auf, dass die Klientin in ihrer Kindheit Anerkennung durch Fürsorge erlangte, während ihr Partner sich an ein Leben gewöhnt hatte, in dem er für seine eigenen Bedürfnisse nicht einstehen musste. Durch gezielte Übungen lernten beide, ihre Eigenverantwortung zu stärken.
Selbstwert und Bewunderung
Die Dynamik: Ein narzisstischer Partner sucht ständige Bewunderung und Bestätigung, während der andere Partner sich bereitwillig selbst zurückstellt, um die Bedürfnisse des narzisstischen Partners zu erfüllen.
In der Paartherapie: Ein Paar kam in die Therapie, weil der Partner, der sich stets zurücknahm, innerlich erschöpft war. Die Therapie brachte zutage, dass beide Partner unbewusste Kindheitserfahrungen mitbrachten: Der narzisstische Partner wurde nur für Leistungen anerkannt, während der andere früh gelernt hatte, durch Anpassung Konflikte zu vermeiden. Beide erarbeiteten Wege, wie sie sich auf Augenhöhe begegnen konnten.
Warum Kolusionen problematisch sind
Kolusionen erscheinen zunächst stabil, da die Rollen scheinbar perfekt ineinandergreifen. Doch diese Stabilität ist trügerisch. Mit der Zeit wird die Beziehung zur Bühne für:
- Machtkämpfe: Der unterlegene Partner rebelliert oder zieht sich emotional zurück.
- Abhängigkeiten: Der eine Partner wird immer bedürftiger, der andere überfordert.
- Selbstwertkrisen: Beide Partner fühlen sich zunehmend unausgeglichen und unerfüllt.
Wie eine Paartherapie helfen kann
Die Arbeit mit Kolusionsbeziehungen in der Therapie zielt darauf ab, unbewusste Dynamiken bewusst zu machen. Konkret bedeutet das:
- Erkennen der Muster: Der erste Schritt besteht darin, die komplementären Rollen und ihre Ursprünge zu verstehen. In der Therapie werden Kindheitserfahrungen analysiert, die diese Muster geprägt haben.
- Verantwortung übernehmen: Beide Partner lernen, ihre eigenen Konflikte zu erkennen und Verantwortung für ihre Heilung zu übernehmen, anstatt sie auf den Partner zu projizieren.
- Neue Kommunikationswege entwickeln: Übungen wie gewaltfreie Kommunikation oder Rollenspiele helfen, die Beziehung auf eine gleichwertige und bewusste Ebene zu bringen.
- Persönliches Wachstum fördern: Beide Partner arbeiten daran, sich als eigenständige Individuen weiterzuentwickeln, was der Beziehung als Ganzes zugutekommt.
Fazit: Ihre Vorteile durch das Erkennen von Kolusionen
Eine Kolusionsbeziehung bietet die Chance, tief verwurzelte Dynamiken zu erkennen und zu verändern. Durch gezielte Paartherapie können Paare:
- Unbewusste Muster aufdecken und durchbrechen
- Ihre Beziehung auf ein Fundament von Gleichwertigkeit und Respekt stellen
- Ihre persönliche Entwicklung fördern und gemeinsam wachsen
Wenn Sie das Gefühl haben, in Ihrer Beziehung immer wieder in die gleichen Konflikte zu geraten, könnte eine unbewusste Kolusion dahinterstecken. Eine Paartherapie hilft Ihnen, diese Dynamiken zu verstehen und eine erfüllendere Partnerschaft zu schaffen.
Herzliche Grüße,
Martin Polo